BGH: Teilurteil gegen verbeamteten Oberarzt unzulässig
In einer Entscheidung vom 21.11.2017, Az. VI ZR 436/16, hat sich der BGH mit der Frage beschäftigt, ob bei einer Klage gegen ein Ärzteteam gegen einen verbeamteten Oberarzt ein Teilurteil zulässig ist oder nicht. Es geht dabei um Fragen der Amtshaftung nach Artikel 34 Grundgesetz und §839 BGB.
Was war passiert?
Die Klägerin wurde 2004 in einer Universitätsklinik nach einem Bandscheibenvorfall durch ein Ärzteteam, dem auch ein verbeamteter Oberarzt angehört hat, operiert. Durch eine spontane Bewegung, ausgelöst durch ein Husten, kam es bei der auf dem Bauch gelagerten Klägerin zu einer Verletzung des Rückenmarks. Einer der Ärzte eröffnete dabei durch die Bewegung mit einem Wurzelhaken die Duraöffnung, sodass Rückenmarksflüssigkeit ausfloss. Durch diese Verletzung kam es bei der Klägerin zu einem sog. Cauda-Syndrom, welches sich u.a. in einer Blasenlähmung im Anschluss an die OP zeigte.
Wie entscheiden die Gerichte?
Die Klägerin erhob gegen die Ärzte und die Universitätsklinik Klage gerichtet auf Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen Behandlungs- und Aufklärungsfehler. Der aufsichtführende Oberarzt der Anästhesie ist verbeamtet.
Haftung für fahrlässige Amtspflichtverletzungen
Die Tatsache der Verbeamtung des Oberarztes beinhaltet hinsichtlich der Haftungsfrage einige Besonderheiten. Auch Beamten können ihre Amtspflichten verletzen und dafür im Zuge einer Amtshaftung bzw. Staatshaftung zur Rechenschaft gezogen werden. Artikel 34 Grundgesetz in Verbindung mit §839 BGB stellt bestimmte Regeln auf, in wieweit Beamte dabei haften.
Kernpunkt der Entscheidung ist hier §839 Abs. 1 Satz 2 BGB. Nach der Vorschrift haftet der Beamte, wenn die Amtspflichtverletzung lediglich fahrlässig begangen worden ist, nur dann, wenn niemand anderes in Haftung genommen werden kann. Andere können hier z.B. Versicherungen oder andere Verfahrensbeteiligte sein.
Teilurteil gegen den verbeamteten Anästhesisten – keine Fehler in der Anästhesie
Das erstinstanzlich befasste Gericht, das Landgericht Rostock, wies Teile der Klagen gegen die beiden Anästhesisten durch sog. Teilurteil ab, da ihnen höchstens im Bereich der Anästhesie etwaige Haftungsansprüche entgegen-gehalten werden könnten. Die Anästhesisten waren lediglich in diesem Bereich in die Behandlung der Klägerin involviert. Im Bereich der Anästhesie sah das Gericht aber weder einen Aufklärungs- noch einen Behandlungsfehler.
Gegen das Teilurteil erhob die Klägerin erfolglos Berufung vor dem OLG Rostock und Revision vor dem Bundesgerichtshof. Der BGH hob die Entscheidung auf und verwies sie zurück an das Landgericht, da das Teilurteil in dieser Form noch nicht hätte ergehen dürfen, da die Gefahr sich wiedersprechender Entscheidungen besteht. Teilurteile dürfen nur dann ergehen, wenn der Streitgegenstand überhaupt teilbar ist und wenn die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen ausgeschlossen ist. Die Gefahr ist dann gegeben, wenn in einem Teilurteil eine Frage entschieden wird, die sich dem Gericht im weiteren Verfahren über andere Ansprüche oder Anspruchsteile noch einmal stellt oder stellen kann.
Teilurteil war wegen der Gefahr sich wiedersprechender Entscheidungen unzulässig
Demnach hätte das Teilurteil gegen den verbeamten Oberarzt aufgrund der Verweisung der Haftung auf andere in §839 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht ergehen dürfen. Solange eine Ersatzmöglichkeit anderer Prozessbeteiligter nicht endgültig geklärt ist und sich der verbeamtete Oberarzt auf die Verweisung berufen kann, besteht die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen. Wenn das Gericht nämlich im Verlauf des Prozesses zu der Entscheidung kommt, dass eine Haftung der anderen Prozessbeteiligten ausscheidet, bestünde für die Klägerin keine anderweitige Ersatzmöglichkeit. Dann wäre aber das Haftungsprivileg des Beamten nichtig, da kein anderer mehr in Haftung genommen werden könnte. Damit hätte das Teilurteil nicht ergehen dürfen.