Schmerzensgeld nach unvollständiger Turmorentfernung
Wird ein 8‑jähriges Mädchen aufgrund einer unvollständigen Turmorentfernung schwerstgeschädigt, ist ein Schmerzensgeld in Höhe von 200.000,00 € und eine monatliche Schmerzensgeldrente in Höhe von 200,00 € gerechtfertigt.
Bei der Klägerin traten im Alter von 8 Jahren Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindel und Gangunsicherheit auf. Es wurde ein Hirntumor (pilozytisches Astrozytom) festgestellt, der operativ nicht vollständig entfernt wurde und deswegen ständig nachwuchs, so dass immer wieder neue Operationen notwendig wurden, bis dass das Kind schließlich zum Schwerstpflegefall wurde.
Die Klägerin leidet aufgrund der nicht fachgerecht geplanten und ausgeführten ersten Tumoroperation unter schwersten Beeinträchtigungen. Es ist eine Rundumbetreuung in Form von Pflege- und Rehamaßnahmen notwendig. Die Klägerin ist in Pflegestufe III eingeordnet und zu 100% schwerbehindert. Sie leidet an erheblichen neurologischen Störungen, wie Hirnnervenstörungen, neurogene Atemstörung, neurogene Dysphagie, Lagophtalmus (unvollständiger Lidschluss) bei beidseitiger Faszialisparese, Abduzensparese bei gestörter Okulomotorik und zerebelläre Ataxie. Nicht einmal eine eigenständige Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahme ist möglich. Eine Besserung wird nicht eintreten. Bei derartig schweren Fällen ist neben einem Schmerzensgeldkapital eine Rente zuzusprechen.
Zuerkannt wurden ferner Fahrtkosten der Eltern als Herstellungskosten nach § 249 Abs. 2, S. 1 BGB sowie Kosten der Pflege der Klägerin nach Abzug der Leistungen der sozialen Pflegeversicherung. Das OLG hat hier ausgeführt, die Klägerin sei nach dem gerichtlich bestellten Sachverständigengutachten dauerbetreuungs- und pflegebedürftig. Die Klägerin müsse sich nicht im Interesse der Beklagten auf eine vermeintlich günstigere Pflege in einer Einrichtung verweisen lassen. Sie habe Anspruch auf ambulante Pflege in ihrer bisherigen Umgebung. Die Höhe des Anspruchs folge den Kosten, die eine vergleichbare entgeltliche Pflegekraft verursachen würde. Es sei eine 24-stündige Betreuung mit oft lebensnotwendigen von einem medizinisch Nichtkundigen normalerweise nicht zu leistenden Verrichtungen erforderlich. Die verlangten 3.660,00 € / Monat für Pflegemehraufwand (= 10,00 €/ Stunde x 12 Stunden/ Tag), seien danach einschränkungslos zuzubilligen. Hiervon seien die Leistungen der Pflegeversicherung abzusetzen.
OLG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 23.10.2014 1 U 136/12